Liga Terezin Fürth
Die Häftlinge im KZ Theresienstadt lachen und wirken glücklich. Die Kamera zeigt Bildhauer, Orchestermusiker, Metallarbeiter mit freien Oberkörpern. Es ist eine Bücherei zu sehen, ein Dampfbad, doch die längste Passage des Films zeigt ein Fußballspiel.
Liga Terezin ein Film von Avi Kanner. Inhaltsangabe: Dokumentation über eine unglaubliche Geschichte, die sich von 1942 bis 1944 im Ghetto Theresienstadt abspielte. Jan 20, 2015 - Oded Breda verharrt nicht in Trauer und beschäftigt sich mit der Liga Terezin, dem Fußball in Theresienstadt mit etlichen Mannschaften, einigen Spielklassen, bis zu 3.000 Zuschauern bei einigen Spielen und eigenen Fußball-Zeitungen. Zusammen mit dem Journalisten Michael Schwartz dreht er eine.
In einem staubigen Kasernenhof laufen kräftige Männer einem Holztor entgegen, sie spielen sich den Ball zu, ihre weißen und dunklen Trikots sind mit einem gelben Stern bestickt. Tausende Zuschauer sitzen am Rand oder stehen dicht gedrängt in der dreistöckigen Baracke. Sie blicken neugierig, lachen, applaudieren. „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ – unter diesem inoffiziellen Titel ist der Propagandastreifen zu einem gespenstischen Mythos geworden. Oded Breda, 61, hat sich den Film dutzende Male angesehen. Der israelische Computerspezialist hat ihn in Einzelbilder zerlegt und diese in schwarzen Rahmen an eine Wand gehängt. Breda arbeitet im „Beit Theresienstadt“, im Haus Theresienstadt, eine Gedenkstätte in Givat Haim, einem Kibbuz 40 Autominuten nördlich von Tel Aviv.
Mit der flachen Hand streicht er über die Fotos und deutet auf einen Spieler mit blonden Haaren, der lächelnd in die Kamera blickt, es ist sein Onkel Pavel. „Viele Jahre hat mich dieses Bild verfolgt“, sagt Breda. „Ich hatte viele Fragen, aber keine Antworten.“ Moshe Breda, der Vater von Oded, war eines von wenigen Familienmitgliedern, die 1939 nach Palästina fliehen konnten. Oded Breda fragte, was in Theresienstadt mit seinem Onkel passiert war, doch sein Vater wollte nicht reden. Irgendwann hielt es Breda nicht mehr aus, er gab seinen Job in der IT-Branche auf und begann zu forschen.
Über Theresienstadt, seine Familie und was er nicht ahnte: Über Fußballspiele im KZ. In der Nähe von Prag hatte Kaiser Joseph II. Jahrhunderts eine Festung errichten lassen, zu Ehren seiner Mutter nannte er sie Theresienstadt. In der Großen Festung richteten die Nazis ein Sammellager für Juden ein.
Darunter waren Wissenschaftler, Künstler und Soldaten des Ersten Weltkrieges, denen die SS eine bevorzugte Behandlung versprochen hatte. Das Lager war für 7000 Menschen ausgelegt, bald waren 60 000 zusammengepfercht. Tausende verhungerten und starben an Krankheiten.
Ende 1943 wurden 450 Juden aus Dänemark nach Theresienstadt gebracht. Die dänische Regierung bestand darauf, dass sich Kontrolleure ein Bild machen. Um die Überfüllung zu mindern, deportierten die Nazis 7500 Menschen nach Auschwitz. Gefangene mussten in Theresienstadt Häuser renovieren, Blumen pflanzen, Wege errichten. Juni 1944 besuchte eine Delegation des Internationalen Roten Kreuzes das Ghetto, sie fiel auf die „Verschönerungsmaßnahmen“ herein. Um die Inszenierung langfristig zu nutzen, forderte der Lagerkommandant einen Propagandafilm, einen „Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“.
Für die Produktion nötigten sie den jüdischen Regisseur und Schauspieler Kurt Gerron, bekannt aus der Uraufführung der „Dreigroschenoper“. Der Film sollte einen Tagesablauf der Häftlinge vortäuschen. Er zeigt Arbeiter im Schrebergarten, Familien beim Kartenspiel und jenes Fußballspiel im Kasernenhof, zwischen den Arbeitern der „Kleiderkammer“ und der „Jugendfürsorge“.
Die meisten Spieler und Zuschauer ereilte das gleiche Schicksal wie Kurt Gerron, sie wurden in Auschwitz ermordet. Von den 157 000 Menschen, die nach Theresienstadt deportiert wurden, überlebten 4000. Oded Breda war sich lange nicht sicher, ob sein Onkel Pavel an der Propagandapartie am 1. September 1944 teilgenommen hatte, zu undeutlich waren die Filmaufnahmen.
Liga Terezin Köln
Breda recherchierte in Brünn, in der Heimat von Pavel, auch in Prag, in Archiven und Synagogen. Vor acht Jahren besuchte er erstmals das Haus Theresienstadt nördlich von Tel Aviv, das Überlebende Anfang der 1970er Jahre errichtet hatten. Dort traf er Peter Erben, den letzten lebenden Fußballer aus dem Ghetto. Erben ist inzwischen 95 Jahre alt. Er bestätigte, dass Pavel Breda für das Team der „Jugendfürsorge“ gespielt hatte. Vier Wochen nach den Filmaufnahmen war Pavel nach Auschwitz gebracht worden.
Dort verhungerte er, im Alter von 20 Jahren. Das Kulturleben der Gefangenen in Theresienstadt ist gut dokumentiert, die Konzerte, Vortragsabende, Kinderzeichnungen. Doch der Fußball wurde kaum beleuchtet. Oded Breda wollte die Lücke schließen. Er fand Notizen von Kindern, Zeichnungen, Erinnerungsberichte, darin waren Spielernamen, Ergebnisse und Strukturen der „Liga Terezín“ vermerkt. Auf dem kleinen Kasernenhof in der so genannten Dresdner Baracke wurden zwischen 1942 und 1944 dutzende Spiele ausgetragen. Meistens am Sonntag, Sieben gegen Sieben, zweimal 35 Minuten.